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Kriika - Kapitel Eins

I.

Die Im Dunkeln Wartet. Die Große Mutter ist immer hungrig.

 

Eine inoffizielle Geschichte von A. Vogel, abgeleitet von Warhammer, dem geistigen Eigentum von Games Workshop Ltd, ohne Genehmigung.



"Sie ist nur eine Brüterin, nicht-nicht?"

Der Lehrling wurde ängstlicher, je näher sie der letzten Höhle kamen. Er wollte es verbergen, aber die Furcht dampfte ihm aus jeder Pore, sträubte sein Nackenfell und machte seine Stimme noch schriller als gewöhnlich.

 

"Nicht-nicht?" setzte er nach, als der Oberste Hüter schwieg.

Ekreks Schwanz zuckte belustigt.

"Ruhig-ruhig, kleiner Kwisik." Er bleckte die Zähne und kicherte heiser. "Du wirst sehen. Nun lauf-lauf, sie wartet. Sie hungert!"

Der Lehrling duckte sich und huschte weiter, zerrte den Handwagen mit dem Trog darauf hinter sich her. Seine Pfoten zitterten, rutschten ab, und die fleischige Brühe schwappte. Sehnige Fleischbrocken trieben hoch und sanken wieder nach in die Tiefe, Ekrek sah Menschlingshände, den Kopf eines Pferdes... und die Schnauzenspitze von jemandem, den er möglicherweise gekannt hatte. Er nickte zufrieden.

"Gut-gut gewählt, diese Mahlzeit. Fett und nahrhaft. Sie wird es-es mögen!"

 

Kwisik bewegte die Ohren, hoppelte aber weiter, ohne hochzuschauen. So, wie seine Schnurrhaare bebten, fürchtete er sich einfach zu sehr.

Der Meistereunuch kicherte wieder, amüsiert und vielleicht ein klein wenig mitfühlend. Immerhin erinnerte er sich noch genau an den Tag, als er die Höhlen der Brüterinnen zum ersten Mal betreten hatte. Es war Jahre her, Jahrzehnte, aber er hatte noch immer den Geruch in der Nase, voll und schwer, nach Fleisch, Fell und Blut, nach Moder und lebender, warmer, hungriger Fäulnis, die verschlingt und zerfleischt und gebiert. Den würzigen Moschusduft der Weibchen, der ihn, gerade erst geschnitten, unruhig, erregt und furchtsam zugleich gestimmt hatte.

Wie der junge Kwisik hier war er durch die niedrigen Gänge getrabt, den Rücken gekrümmt unter der Last der Futterbrocken, noch hinkend vom Schmerz der Operation und ängstlich bedacht, seine Herren zufrieden zu stellen.

Schließlich wollte er nicht in den Gruben enden.

 

"Lauf-lauf!" grollte er plötzlich, "Was wartest du, Flachkopf?"

Kwisik duckte sich tiefer, trippelte, blieb aber vor dem dunklen Eingang stehen. Dann warf er einen schnellen Blick zurück zu Ekrek und winsel-quiekte etwas, tief in der Kehle.

"Was-was? Sprich laut, Dümmling!" Der ältere Eunuch schnarrte und klackte drohend mit den Zähnen, obwohl er innerlich weiterhin gluckste. Er kannte ja die Geschichten. Natürlich wollte der Kleine nicht als erster hineingehen.

"Ich-ich..." fiepste Kwisik, "...die Ehre ist Eure, Meister, nicht-nicht? Zuerst zu dem Brut-Ding zu sprechen, nicht-nicht?"

Ekrek zuckte zusammen.

"Was-wasss? Dümmling!" Ganz plötzlich war die Wut in seiner Stimme echt, er fauchte, sträubte sein schütteres Fell unter den schweren Roben, als das Feuer echter Empörung ihn durchströmte.

"Frech-frech", zischte er zornig, "Kein Wort mehr wie das! Nie-nie wirst du die Große Mutter so nennen, oder ich reiß'-reiß' deine dreckige Kehle raus!"

"Nein-nein-nein Meister-Meister, bitte-nein!" Der kleine Kwisik quiekte, schrill, schockiert. Er krümmte sich, warf sich auf die Seite und sah aus, als wäre er kurz davor, sich zu beschmutzen.

"Ich-ich..." er fiepste atemlos, bedeckte die Schnauze mit den Pfoten.

"Ich bitte um-um Verzeihung. Bitte-bitte! Ich-ich wusste nicht... die anderen Hüter...!"

"Pah!" schnarrte Ekrek. "Floh-floh und Schwanzfäule auf diese Narren! Niemand sagt-sagt das zu Ihr. Niemand!"

Er wetzte quietsch-quietsch die Zähne aneinander, scharfe, spitze Zähne und starrte auf Kwisik hinunter, der sich zu seinen Füßen wand, den rosigen Schwanz im Dreck peitschend. "Wie kannst du Wurm-ling es wagen..?!"

Schreckliche Wut kochte im Magen des Obersten Hüters, und er spürte ein hungriges Kribbeln in den Krallen. Brut-Ding!

Sein Herz pochte rasch und zornig.

Unglaublich!

Er spürte ihn, den wilden Impuls, die Knochen seines Lehrlings zwischen seinen Zähnen zu knacken, sein Gesicht zu zerfleischen und diese dreiste kleine Zunge-

 

Ein Grollen erschütterte die Höhle, tief und schwer und langsam wie das Dröhnen eines unterirdischen Flusses, und Meistereunuch Ekrek Silberpfote schreckte zurück.

 

Für einen langen, atemlosen Moment rührte sich keiner der beiden Skaven.

 

Dann lachte Ekrek, ein lautes, volles Keckern, und strich sich mit einer geübten, einpfotigen Geste Kopf- und Schnurrhaare glatt.

"Ach-ach!" machte er und atmete langsam ein und aus, bleckte grinsend die Zähne ."Gut-gut, Große Mutter, wie recht du hast!" Er schüttelte seine Roben zurecht. "Dumm-dumm ist er, aber nicht mehr als andere. Ein Trick, nicht-nicht?"

Er beugte sich zu dem jungen Eunuchen hinunter, der reglos im Schmutz lag, in blinder, verwirrter Unterwerfung erstarrt. "Komm-komm, Dümmling. Schon gut!" Die Barthaare des Kleinen zuckten, aber er wagte es noch nicht, die Augen zu öffnen.

Ekrek keckerte wieder. "Auf-auf, Lehrling. Keine Angst mehr!"

Endlich blinzelte Kwisik, sah sich anscheinend nicht mehr akut bedroht und sprang hastig auf. Sein Blick zuckte hin und her, von den Zähnen seines Meisters zu dem dunklen Loch der Höhle neben ihm und wieder zurück, und Ekrek wartete einen Augenblick, bis sich der Jüngere ein wenig beruhigt hatte.

"Glück-Glück hast du, Kwisik, dass Die Mutter mich unterbrach. Ich war in Wut. Feiner Trick-Trick, dich mit so frechen Worten zu füttern! Lukors Idee, nicht-nicht? Einen guten Lehrling zu vergeuden?"

Kwisik antwortete nicht, atmete noch immer stoßweise, aber Meistereunuch Ekrek war ein geduldiges Männchen. Er würde erfahren, was er wissen wollte. Irgendwann.

"Los-los, Lehrling!" sagte er nur und stupste den anderen beinahe freundlich mit seiner silbernen Pfote an, "Jetzt ist es Zeit, Die Mutter zu besuchen. Sie ist hungrig. Sie ist immer hungrig."

 

Sie hatten die Schwelle überschritten, und schon wurde der Kleine wieder langsamer, als würde die Last des Futtertrogs unerträglich schwer.

Der Meistereunuch verstand ihn.

Er blieb ebenfalls stehen und schnüffelte mit tiefen Atemzügen.

Warm und schwer war die Luft, dick und dunkel, Jahrezehnte alt, voll vom brünstigen, pulsierenden Duft eines gewaltigen Körpers.

Der Lehrling neben ihm zitterte, überwältigt, eingeschüchtert von den rohen, wilden Aromen, duckte sich wie vor den Drohgesten eines überlegenen Kriegers.

Kwisik fiepste, schnappte nach Luft. "Groooß..." keuchte er. "Riecht groß-groß!"

Sein Meister nickte nur andächtig und bedeutete dem Kleinen, ihm zu folgen.

Der Lehrling zögerte, und als er eine Frage wagte, bebte seine Stimme heftig.

"Meister... warum so düster? Warum so wenig Licht?"

Der Lehrling machte ein unbestimmtes, ängstliches Geräusch, und Ekrek grinste wieder. Das brachte die meisten Besucher aus der Fassung - etwas so Großes zu riechen, ohne es erkennen zu können. Er keckerte.

"Du wirst sie sehen, keine Angst-Angst!"

Damit schob er den Lehrling vorwärts, trat mit ihm in die Höhle, hin zu Der, Die in der Dunkelheit wartete. Und hungerte.

 

Sie sahen Die Große Mutter, aber vorher hörten sie Sie bereits. Rauer, scharrender Atem, das Schleifen schwerer Gliedmaßen im Schmutz, darüber helles Fiepen und das Schmatzen und Wuseln zahlloser kleiner Dinge. Ekrek bildete sich ein, sogar das Pochen Ihres Herzens zu vernehmen, schleppend, aber stetig, der Puls der Höllengrube, so unablässig und ewig wie das Heulen und Kreischen der Bestien, das aus den Löchern zu den tieferen Höhlen drang.

 

Als die Skaven schließlich vor Ihrem Lager standen, regte sich die Große Mutter langsam und hob den Kopf.

Sie war großartig, majestätisch, ein bebender, glänzender Berg aus Fleisch, eine gewaltige Bestie, groß wie ein Gruben-Behemoth. Wie jedes Mal zog sie die Lefzen zurück, keuchte schwer und zeigte Ihre gelben, schartigen Zähne.

Wie jedes Mal faltete der Oberste Hüter der Brüterinnen die Arme vor der Brust, senkte den Kopf und erwies der Ältesten seine Ehrerbietung.

Lehrling Kwisik dagegen fiel in Ohnmacht.

 

"Auf-auf, Dümmling!"

Er piekte den Kleinen mit seiner silbernen Krallenprothese, aber nur ein wenig - in der überwältigenden Anwesenheit seiner Königin konnte Ekrek gar keine kleinliche Wut empfinden. "Los-los, sie wartet!"

Der Lehrling kam auf die Pfoten, quiekte hilflos und fiel wieder auf den Hintern. "Groooß-groß-groß!" winselte er, fassungslos, als er erkannte, dass all die Geschichten der Wahrheit entsprachen. Dass die Legende von der monströsen, aufgeschwollenen Brüterin in den tiefsten Eingeweiden der Höllengrube keine Legende war.

"Ja-ja..." brummte Ekrek, schnurrte fast vor heimlichem Stolz, "das ist Sie. Die Älteste, die Größte, die Erhabenste Brüterin des großartigen Züchterclans!"

 

Der jüngere Eunuch starb fast vor Angst - im wörtlichen Sinne - während er den Futtertrog zum Lager der Mutter schob, gerade so in Reichweite des riesigen Kopfes. Die Nüstern der Mutter bebten, und bei jedem Ihrer Atemzüge zuckte Lehrling Kwisik heftig zusammen.

Zittert wie ein Grubensklave, dachte Meister Ekrek, aber das wird sich geben. So oder so.

Er beobachtete den Kleinen und grinste in sich hinein, dachte an die Zeit, als er selbst der Lehrling gewesen war, jung und mager, mit zwei gesunden Pfoten und voll tödlicher Furcht.

 

Damals. Das war Jahre her, und selbst Sie war jung gewesen.

Eine Brüterin wie alle anderen, plump und braun, kaum größer als er selbst, mit stumpfen Augen und leerem Gesicht. Er hatte zugesehen, wie sein Meister ihr Ketten anlegte, hatte ihr die erste Futterschale gebracht, Fleischbrei, den sie gierig vertilgte.

Nur eine Brüterin.

 

Jetzt senkte sich ihr gewaltiger Kopf zum Trog, leckte und schlang, fraß Fleisch von der Masse eines Mastschweins in wenigen Minuten. Knochen splitterten, der Schädel des Pferdes krachte und platzte zwischen ihren Kiefern, und die beiden Skaven beobachteten sie in schweigender Faszination.

"Viel Zeit, nicht-nicht?" murmelte der Oberste Hüter, und Jung-Kwisik schreckte auf, hüpfte rückwärts und fiel wieder hin. "Wie? Was?" quiekte er, aber der Ältere schüttelte nur den Kopf.

"Nichts, Dümmling. Los-los. Wir haben zu tun. Auslese. Solange sie frisst, und denk dran - sie ist-ist immer hungrig!"

 

Das war der gefährlichste Teil.

Sie traten näher, Meister Ekrek voller Entschlossenheit, Lehrling Kwisik ein winselndes, zitterndes, verschwitztes Bündel Elend.

So dicht am Leib der gewaltigen Brüterin war ihr Geruch fast unerträglich, ihre Hitze feuchter, fiebriger Nebel.

Die Mutter lag auf der Seite, wie sie es seit Jahren tat, seit Generationen von Skaven, tausende von Geburten ihren Körper hatten anschwellen lassen. Sie war gewachsen, größer geworden als alle anderen Brüterinnen, und irgendwann mochten selbst ihre kräftigen Glieder all das Fleisch nicht mehr tragen.

Sie war seit Jahren nicht mehr aufgestanden. Das machte sie allerdings nicht weniger gefährlich. Die silberne Kralle, die Ekrek statt seiner linken Pfote trug, sorgte dafür, dass er das nicht vergaß.

"Ruhig-ruhig!" wisperte der Oberste Hüter und bückte sich, griff in den wimmelnden Haufen der Skavenjungen und hob eins nach dem anderen hoch. "Rasch, Dümmling! Sieh sie an, aber lass' sie nie-nie quieken."

Es waren gute Rattlinge, fett und stark, über ein Dutzend Männchen und drei, vier Brüterinnen. Fünf Mutanten, geschwollene kleine Monster, eins sogar doppelköpfig, mit peitschenden Klauen und schnappenden, verzerrten Mäulern, die Ekreks Gewänder packten und an seiner silbernen Pfote rissen.

Der Oberste Hüter war begeistert.

"Sieh-sieh, Kwisik!" Er hob den Arm, zeigte das keifende Biest. Es war perfekt, mutiertes Fleisch für die Zuchtmeister der Gruben, und als er das wache Funkeln in den Augen des jüngeren Eunuchen sah, bleckte Ekrek die Zähne in einem wilden, triumphierenden Grinsen.

Ein guter Lehrling, wahr-wahr, dachte er. Die Pest über dich, Lukor!

 

Sie arbeiteten hastig, schnell-schnell, und der Lehrling trieb gerade den letzten Mutanten in die Zuchtgrubenlöcher, als Ekrek die schreckliche Entdeckung machte.

 

Graues Fell.

Er konnte es nicht glauben. Er hätte das Junge fast übersehen, tief in den glitschigen, haarlosen Hautfalten der Großen Mutter verborgen, und anfangs hielt er die plumpe kleine Brüterin für blassbraun. Doch dann hob er sie hoch, sah sie von Nahem, und unter dem Schmutz und dem Schleim war ihr Pelz grau wie Asche. Grau wie Stein, grau wie-

 

Sein Herz setzte für einen Schlag aus.

"Nicht gut!" quiekte er heiser. "Nicht-nicht-nicht gut!"

Er war wie gelähmt, starrte auf das Pelzbündel, das sich in seinen Krallen wand, und bevor er etwas tun konnte, stand Kwisik schon wieder neben ihm. Sein verfluchter Lehrling mit dem verflucht scharfen Blick.

"Was-was-was?!" Der jüngere Skaven japste nach Luft. "Grau?"

Seine Stimme wurde wieder schriller.

"Eine Brüterin? Los-los, lasst uns prüfen-" Kwisik griff nach dem kleinen Weibchen, aber da schoss Meister Ekrek plötzlich nach vorn, fauchend und zischend. Er schnappte zu, biss den Lehrling in den Arm und riss Haut und ein Maulvoll Fell heraus. Blut spritzte warm in seine Schnauze.

"Nein-nein! Nichts wird geprüft! Nichts!" Meister Ekrek kreischte fast, vergaß alle Würde, vergaß, wo er war, vergaß die pulsierende Masse der Großen Mutter.

Vergaß, dass der Futtertrog fast leer war.

Nein-nein!

Sein Puls raste.

Das konnte einfach nicht sein. Das durfte nicht sein!

 

Das Ding hier war ein Fehler, ungültig, falsch. Nur ein Zufall.

Ekrek Silberpfote hatte bei tausenden von Rattlingen die Auslese getroffen, zwischen dem Leben als Skaven und der Existenz als Grubenmonster entschieden.

Seine Aufgabe folgte bestimmten Prinzipien, uralten Traditionen, dem überlieferten Wissen von Generationen.

Es gab Regeln.

Ekrek war der Oberste Hüter, der Meister der Geburten, und er würde ganz sicher nicht auf dem Kopf einer graufelligen Brüterin nach Hörnern suchen.

 

Stattdessen musste er sie töten. Schnell-schnell, ein Biss, scharfe Zähne und zartes, junges Fleisch.

"Sie wird sie fressen, ach-ach!" Er keuchte, kämpfte den Schwindel nieder, ignorierte das schrille, klagende Quieken seines Lehrlings. "Immer hungrig. Keine. Beweise. Nie-nie!"

Graues Fell. Bei einer Brüterin!

Die Verantwortung wog schwer, doch er gab nicht auf. Er musste es tun.

Entschlossen hob Meistereunuch Ekrek die strampelnde kleine Rättin hoch und bleckte die Zähne, um ihr den Bauch aufzureißen.

 

Diesmal war es nicht das Dröhnen eines entfernten Flusses. Diesmal klang das Grollen der Großen Mutter wie das Donnern einer Warpsteinexplosion, wie der Tod, wie die ersten Sekunden des Weltuntergangs.

Schließlich war sie direkt neben ihm.

 

Ekrek erstarrte.

Direkt neben ihm.

Sämtliche Kraft floss aus ihm heraus wie Blut aus einer aufgeschlitzen Kehle.

Seine Glieder prickelten, ihm wurde plötzlich kalt bis in die Schwanzspitze, als er sah, hörte, wie die Massen schweren, glänzenden Fleisches neben ihm in Bewegung gerieten, schleifend, rutschend, und er konnte spüren, wie sich seine Gedärme verkrampften.

Die Mutter knurrte. Keuchte.

Rattlinge lösten sich von den Zitzen der gewaltigen Brüterin, klatschten zu Boden wie fette, kreischende Früchte.

 

Die Älteste, die Oberste Mutter wälzte sich auf die Beine und richtete sich auf. Uralte, rostige Ketten zersprangen mit einem stumpfen Klirren, und aus dem Halbdunkel wurde Finsternis, als sich die Große Mutter über ihm auftürmte wie ein lebender Berg.

Ein atmender, stinkender, zorniger Berg.

Die Bestie riss das Maul auf und brüllte Ekrek an. Geifer spritze ihm ins Gesicht, und er sah aberhunderte schiefer, spitzer Zähne, roch Blut und fauligen Odem.

Den Atem der Höllengrube.

Doch der kalte, wissende Blick Ihrer Augen war schlimmer. Ihm war, als kannte Sie ihn. Hätte ihn schon immer gekannt.

 

Ekrek Silberpfote bekam gerade noch mit, wie sich die verfluchte graue Missgeburt aus seinem Griff wand und floh, bevor er sich vollpinkelte und in Ohnmacht fiel.

 

Als Ekrek und Kwisik zu sich kamen, waren sie beide noch am Leben. Sie sahen einander an , schweigend, und schworen endlich, mit niemandem darüber zu reden. Niemals.

Der Meister musste seinen Lehrling nicht einmal bedrohen.

"Sie fraß es, nicht-nicht?" fiepste der Kleine leise. "Packte das kleine Ding und fraß es auf. Weg-weg. Richtig?"

Ekrek nickte nur. Der Junge war schlau.

Er putzte sich, so gut er konnte, fluchend und schnarrend, und er achtete sorgsam darauf, die Große Mutter nicht direkt anzusehen.

Sie lag wieder da wie zuvor, die schweren Lider geschlossen, eine Traube fiepender, saugender Rattlinge vor dem geschwollenen Leib. Ihr Atem ging schwer und ruhig, als wäre nichts geschehen.

 

Und das war richtig, nicht-nicht? Es war nichts geschehen. Und es gab ganz sicher keinen Beweis.

 

Das graue Ding war fort. Weg-weg, wie Kwisik ganz richtig sagte. Es konnte nirgendwo hingeflohen sein, außer in die Tunnel-Löcher zu den Zuchtgruben, und dort würde es sterben.

Richtig? Richtig. Die Sache ist-ist erledigt.

Er atmete aus.

Schüttelte seine Roben zurecht.

 

"Los-los!" quiekte er endlich, ließ Jung-Kwisik mit einer Geste voranhuschen.

"Es gibt noch viel-viel zu tun!"

Er würde herausfinden, ob Lukor noch weitere Überraschungen geplant hatte, der dreiste Günstling, der hinterhältige, erfolglose Verräter...

"... der bestraft werden muss, ja-ja!"

Er sah, dass sein Lehrling ängstlich die Ohren anlegte, aber das war ihm gleich. Er war auf durchtriebenere Missetäter aus und schon halb in Plänen versunken.

Meistereunuch Ekreks Nase zuckte nachdenklich, und er blieb noch einmal stehen, warf einen weiteren raschen Blick auf die dunkle, ehrfurcht gebietende Gestalt der kolossalen Bestie, die dort im Dunkeln lag, atmete, wartete.

Er neigte zum Abschied den Kopf.

 

Als er die Höhle verließ, grinste er bereits wieder ein breites, scharfzähniges Grinsen.

Er dachte an den verräterischen Lukor und wusste, was er zu tun hatte.

Schließlich hatte die Große Mutter sein Leben verschont, und er schuldete ihr ein Geschenk.

 

Und die Große Mutter war immer hungrig.


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